Im Interview mit dem Standard (3.5.2020) zieht der Medienwissenschafter Bernhard Pörksen eine durchwachsene Zwischenbilanz über die Arbeit der Journalistinnen und Journalisten in der Corona-Krise. Auf die Fragen von Oliver Mark sagt er, dass es im ersten Schock keine andere Möglichkeit gegeben habe als einen „situativ geforderten Verlautbarungsjournalismus zu praktizieren“. Mit fundierten Erklärstücken und Hintergrundberichten, sagt Pörksen, schränkt aber ein:
„In einer zweiten Phase ist der politische Journalismus zu lange und unmittelbar der eng geführten Perspektive der Virologen gefolgt, die ihrerseits die Politik prägt. Eine Orientierung an Expertenmonopolen ist, prinzipiell gesprochen, nie gut. In Zeiten einer derart dramatischen Krise wird sie gefährlich. Hier hätte ich mir mehr Distanz und mehr Debatte gewünscht, eine von Journalisten erzwungene Weitung des Blicks. „
In dem lesenwerten Interview bleiben Medienwissenschafter Pörksen und der Interviewer aber nicht bei der Analyse über die Corona-Berichterstattung. Der Professor für Medienwissenschaft an der Universität Tübingen geht auch auf die Ambivalenz ein, dass hochwertige Berichterstattung in diesen Krisenzeiten vom Publikum stark nachgefragt wird. Gleichzeitig brechen die Einnahmen der Medienhäuser weg – und das bedroht die Zukunft der hochwertigen Berichterstattung:
„Denn eigentlich braucht es, wenn die Anzeigenfinanzierung schwächer wird oder ausfällt, einen neuen Pakt zwischen dem Journalismus und einem medienmächtig gewordenen Publikum, der anerkennt: Seriös recherchierte Information ist in einer liberalen Demokratie das, was sauberes Wasser für den Menschen ist – eine Lebensnotwendigkeit. Das heißt, im Letzten geht es um einen Bewusstseinswandel, einen Wechsel von der digitalen Gesellschaft der Gegenwart hin zur redaktionellen Gesellschaft der Zukunft.“
Um durchaus pessimistisch wenig später anzumerken:
„Wir erleben im Moment, dass das klassische Informationsmodell des Gatekeeper-Zeitalters zerbricht – ohne wirklichen Ersatz, ohne den Ausgleich durch die Medienmündigkeit in der Breite der Gesellschaft.“
Während des Interviews geht Medienwissenschafter Pörksen auch auf Folgen der Personalisierung – des Starkults im Journalismus – ein und auf die Wirtschaftsförderung der österreichischen Bundesregierung für Tageszeitungen und Privatfernsehen.
Das Interview ist hier nachzulesen.