Audiogeräte wie Smartphones und intelligente Lautsprecher sind schon weit verbreitet. Drei von vier Österreicherinnen und Österreicher haben 2019 ein Smartphone besessen. Im selben Jahr hat der österreichische Privatradiovermarkter RMS verlautet, das zwei Millionen Personen in Österreich Smart Speaker à la Alexa, Google Assistent Home oder Cortana nutzen.
„Wir stehen am Anfang der Bemühungen, das Audio-Web so relevant und so nützlich zu machen, wie das Text-Web geworden ist,“ schreibt Steve Henn, der führende Content-Stratege bei Google für Audio-Nachrichten bei Nieman-Lab als seine Vorhersage für den Journalismus im Jahr 2020.
Zumal die Verbreitung von digitalen Audiogeräten in den USA weitaus größer ist als in Europa. Mehr als 66 Millionen Smart Speaker wurden in den Vereinigten Staaten 2018 verkauft. Bei 253 Millionen Erwachsenen besitzt damit jede und jeder vierte ein solches Gerät.
Vor allem ist auch der Markt für Podcasts dort schon weitaus größer als hierzulande. National Public Radio, die öffentliche, lose organisierte Zusammenarbeit von Hörfunksendern in den USA, ist ein Vorreiter in Sachen Podcasts. NPR geht davon aus, dass das Unternehmen 2020 mit Podcasts erstmals mehr Umsatz machen wird als mit dem traditionellen Radio. Der Werbemarkt bei Podcasts soll 2020 rund 660 Millionen Dollar erreichen.
Audio muss einfacher gefunden werden
Wenn Audio im Internet so relevant werden soll wie das Text-Web, wie Steve Henn das vorhersagt, dann muss Audio im Internet anwenderfreundlicher werden als es jetzt ist. Benutzerfreundlicher, was die Auffindbarkeit im schier grenzenlosen Netz betrifft. Stichwort: Suchmaschinen. Sie durchforsten Texte, sie sind die Grundlage für die Suchergebnisse, die der Nutzer, die Nutzerin zu sehen bekommt.
Inhalte von Audiodateien lassen sich nicht so einfach als Text abspeichern. Sie enthalten Gesprochenes, nicht Geschriebenes. Abhilfe ist laut Steve Henn von Google schon bei der Arbeit: „Wir indizieren und transkribieren jede Geschichte in Audio-Nachrichten. Das ermöglicht es uns Geschichten über Ereignisse, die gerade die Welt verändern, sofort zu teilen,“ schreibt Henn in der schon zitierten Voraussage für den Journalismus 2020 bei Nieman-Lab.
Digitaler Aufholbedarf
„Podcasting und Digital Audio boomen, aber in vielerlei Hinsicht ist das Audio Web wie das Text-Web der 1990er Jahre. Als die Zeitungen zum ersten Mal online kamen, waren ihre frühen Websites schwer zu navigieren und zu durchsuchen, sie verknüpften die Geschichten nicht miteinander […] Audio ist heute ähnlich. Es ist ein aufrüttelndes, leistungsstarkes, massiv populäres und bequemes Medium – aber weil die digitale Erfahrung zurückgeblieben ist, ist es schwierig, Dinge zu finden, insbesondere zeitgemäße, relevante Geschichten, die für Sie von Bedeutung sind.“
Liz Gannes, Product Managerin, Google-News
Noch sei Audio eindimensional, meinen die Expertinnen und Experten bei Google; es fehle die Interaktivität und die Intelligenz, also die Möglichkeit Podcasts Fragen zu stellen und Antworten zu bekommen.
Kriterium: Sprache
Das bisher Gesagte – vor allem der beiden Google-Experten – fokussiert sehr stark auf die englischsprachige Welt, vor allem auf die Vereinigten Staaten. Geschätzte 370 Millionen Menschen haben Englisch als Muttersprache. 350 Millionen bis einer Milliarde beherrschen Englisch als Zweitsprache. Deutsch hingegen beherrschen 185 Millionen weltweit. 105 Millionen davon sind Muttersprachler.
Audio ist das gesprochene Wort. Daher ist das Potenzial für Podcast-Hörerinnen und -Hörer schon vorweg definiert. Englisch zu Deutsch steht also – grob gerechnet – 10:1. Das hat Auswirkungen. Ein Beispiel:
Descript ist eine (in der Basisversion) kostenlose Anwendung, die unter anderem den Text von Audio- und Videodateien transkribiert. Englische Texte. Das Unternehmen hat die Mail-Anfrage, ob es eine deutsche Version des Programms geben werde, folgendermaßen beantwortet:
Nichts desto trotz wächst die Menge der Podcast-Hörer auch im vergleichsweise kleinen Österreich. Unter allen Ländern, die im Digital News Report 2019 des Reuters Institute untersucht wurden, war der Zuwachs bei den Podcast-Hörerinnen und -Hörern mit fünf Prozent in Österreich sogar am stärksten, wie die Grafik auf Seite 28 zeigt:
Auch wenn die Frage, wie mit Podcasts Geld zu verdienen ist, in einem kleinen Markt wie Österreich, wohl schwieriger zu beantworten ist als etwa in den USA, so sind Podcast zumindest ein verheißungsvoller neuer Kanal für den attraktiven Medienmix von Medienunternehmen. Voraussetzung für einen Erfolg wird sicherlich sein die Vorhersage von Steve Henn von Google in die Tat umzusetzen, „das Audio-Web so relevant und so nützlich zu machen, wie das Text-Web geworden ist“.
… und dass die Macher von Podcasts und anderen Audio-Inhalten unter vielen Dingen lernen und akzeptieren, dass Schreiben fürs Sprechen nicht gleich Schreiben fürs Lesen ist … merke ich ganz persönlich als Radiojournalist, -Moderator und Leiter von Podcast-Workshops an.