Mojo: Wer will mich?

Schon seit mehreren Smartphone-Generationen sind deren Kameras so leistungsstark, dass sie unter guten Bedingungen Sendequalität haben. Schon seit Jahren bringen Trainer Journalistinnen und Journalisten bei, wie sie mit dem Smartphone professionell Videos produzieren können. Ich bin einer davon. In den Redaktionsstuben sind sie aber noch sehr rar gesät, die mobilen Journalisten. Mit einem der versiertesten Mojo-Trainer, mit Glen Mulcahy, habe ich genau diese Frage vertieft: Warum setzen Rundfunkanstalten (aber auch Printredaktionen) noch so zögerlich mobile Journalisten ein?

Nur im äußersten Notfall …

Das Smartphone ist die beste Kamera … weil man sie stets bei sich hat. So auch ein Kollege, der zu einem Rettungseinsatz an einem See gekommen ist. Er hat einige Videosequenzen gedreht, ein Interview mit einem Wasserretter aufgenommen und mit Hilfe eines netten Menschen, der die Kamera gehalten hat, einen Aufsager produziert. Das Material hat er ins Studio geschickt. Ein Cutter hat es zu einem Beitrag zusammengebaut und die Nachrichtensendung hatte den Beitrag über den Wasserrettungseinsatz.

Ein Redakteur dreht das Videomaterial, weil er keinen Kameramann bei der Hand hat. Das ist noch die große Ausnahme. Nicht nur im öffentlich-rechtlichen Sendebetrieb. Auch Verantwortliche von kommerziellen Sendern haben mir bestätigt, dass mobile Journalisten kein Thema sind. Im Moment nicht und wohl auch nicht in absehbarer Zeit.

Mehr Vielfalt in der Berichterstattung

Videomaterial von Augenzeugen wird bei Unwettern oder Verkehrsunfällen gern auf Sendung genommen. Auch schicken Redakteure immer wieder Videosequenzen zur Illustration von Online-Beiträgen ins Studio. Aber Redakteure, die eigenständig Videobeiträge planen, drehen, bearbeiten und veröffentlichen oder sendefertige Beiträge in die Rundfunkanstalt schicken, sind selten. Also Redakteure, die kein Redaktionsbüro mehr für ihre Arbeit brauchen.

So definiert auch Glen Mulcahy die Arbeit von mobilen Journalisten, von Mojos. Er hat 20 Jahre lang beim Fernsehen gearbeitet. Zuletzt war er in seiner Heimat, beim irischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk RTE Leiter der Innovationsabteilung. 2017 hat Glen Mulcahy sein eigenes Unternehmen, Titanium Media, gegründet, mit dem er unter anderem Medientrainings anbietet.

Mojos sind keine Sparmaßnahme

Für Glen Mulcahy sind mobile Journalisten kein Ersatz für den klassischen Video-Workflow in einem Rundfunkunternehmen (Redakteur – Kameramann – Videobearbeiter). Mojos sind für ihn eine Ergänzung. Mit ihrer “kleinen” Ausrütung und ihrer Flexibilität als Einzelkämpfer können sie Geschichten produzieren, die in der wirtschaftlich angespannten Lage auch bei Rundfunkunternehmen sonst nie produziert würden.

” Wenn ein Redaktionsteam, das die traditionelle Produktionsweise gewohnt ist, umgeschult werden soll, dann braucht es Zeit, Geduld und viel Planung um diesen Übergang erfolgreich zu vollziehen,” sagt Glen Mulcahy und warnt Rundfunkmanager davor, Mojos als Sparpotenzial zu sehen.

Das hat mir der renommierte Mojo-Trainer bei einem Gespräch gesagt, das wir geführt haben, als Glen Mulcahy im Juli 2019 Referent bei den Anifer Journalistentagen war, einer Veranstaltung der Webster Vienna Private University und des Kuratoriums für Journalistenausbildung. Daher ist diese Podcast-Episode auf Englisch. Ein Übersetzung steht am Ende des Postings als Download zur Verfügung.

Links:

Glen Mulcahy auf LinkedIn

Kuratorium für Journalistenausbildung

Webster Vienna Private University

meine Workshops

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