Für Mercedes Bunz ist es ein verhägnisvolles Missverständnis: „Solange wir Journalisten glauben, das Internet ist ‚die andere Öffentlichkeit‘, die uns bedroht und uns unsere eigene Öffentlichkeit wegnimmt, solange begehen wir einen Fehler.“ Journalisten würden nicht mehr im Web, sondern mit dem Web veröffentlichen, zitiert die Kulturwissenschafterin und Journalistin Emily Bell, ihre frühere Kollegin beim britischen „The Guardian“ und die jetzige Journalismusprofessorin.
Die sozialen Netzwerke führten zu einem Paradigmenwechsel. Bislang hatte der Journalist „die Fähigkeit Öffentlichkeit herzustellen für sich alleine, das konnte außer ihm vielleicht noch der Künstler“, anaylsiert Bunz. In den sozialen Netzwerken entsteht nun diese digitale Öffentlichkeit, „und der Journalist denkt erst Mal: man verliert irgendwas.“
Mit dem Internet umgehen lernen statt nur davor zu warnen
Die Rolle des Journalisten im gesellschaftspolitischen Kontext ändert sich. Das Internet macht Journalisten nicht überflüssig. Im Gegenteil: In dem Maße, in dem die Menge an verfügbaren Daten und Fakten im Internet steigt, braucht es Fachleute, die diese Daten und Fakten in Zusammenhang bringen, Wahres von Unwahrem unterscheiden, dem Leser, Hörer, Seher und Nutzer Orientierung geben können. Journalisten sind diese Fachleute. Davon gibt sich auch Mercedes Bunz überzeugt.
Für sie gibt es keinen Grund, warum immer noch so viele Journalisten die Gefahren des Internet lieber thematisieren als dessen Möglichkeiten, die auch die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten verändert hat und weiter verändern wird. „Die Digitalisierung hat, wie ein Hammer, zwei Seiten. Man kann damit jemanden erschlagen oder ein Haus bauen“, sagt Mercedes Bunz. Und daher sollten die Journalisten die Vorteile des neuen Kommunikationssystems sehen, den Umgang mit ihnen erlernen und in ihrer Arbeit einsetzen:
- beim Suchen von Geschichten (Gatewatching)
- bei der Recherche,
- beim Kontakt mit dem Publikum (z.B. Crowdsourcing),
- beim Herstellen von Zusammenhängen (Kuratieren),
- beim Auswerten großer Datenmengen (Datenjournalismus).
- usw.
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Kurzinterview, das ich im Anschluss an die Diskussion „die vernetzte Gesellschaft“ mit der Kulturwissenschafterin und Journalistin Mercedes Bunz am 7. Juni 2013 in Salzburg aufgenommen habe.
Dramatische Folgen der digitalen Revolution
Mercedes Bunz schließt nicht aus, dass die digitale Revolution ähnliche dramatische Konsequenzen haben kann wie die industrielle Revolution im 19. Jahrhundert. Sie kritisiert, dass fast nur von den negativen Folgen dieser digitalen Revolution gesprochen wird, nicht aber von den positiven. Auch im Journalismus. Computersoftware wie „Stats Monkey„, die Nachrichten und Berichte schreibt, könne als Bedrohung für den Berufsstand gesehen werden. Roboterjournalimsus, wie diese Entwicklung auch genannt wird, kann aber auch eine positive Seite abgewonnen werden: Maschinen übernehmen Routinearbeiten, da bleibt für die Journalisten in der Redaktion mehr Zeit, um anspruchsvolle Geschichten zu recherchieren und zu produzieren. Geschichten, mit denen Computerprogramme überfordert sind, weil sie nur strukturierte Daten verarbeiten können.
Mercedes Benz macht keine Panik, wohl daher heißt ihr Buch auch „die stille Revolution„. Darin legt sie durchaus überzeugend dar, wie Algorithmen Wissen, Arbeit, Öffentlichkeit und Politik verändern, ohne dabei viel Lärm zu machen. Und daher hält sie nicht nur für die Journalistinnen und Journalisten ein positives Fazit bereit:
„Wir sind den Maschinen nicht ausgeliefert, sondern müssen mehr darüber diskutieren, wie wir mit ihnen umgehen wollen.“