Ein bisschen Selbstdarstellung

Cover_OeJIn diesem Blog habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht über neue aber auch bedenkliche Entwicklungen, informative Websites und Bücher und über interessante Personen und deren Meinung zu bestimmten Themen zu schreiben. Heute mache ich eine Ausnahme und betreibe ein bisschen Selbstdarstellung. Peter Plaikner hat für die Ausgabe 10-11/2013 des “Österreichischen Journalisten” ein Interview mit mit geführt über Veränderungen im und Zukunft des Journalismus. Unter dem Titel

Ruhig, aber rastlos

Gerhard Rettenegger, einst Chefredakteur des ORF Salzburg, sucht nach Antworten, wie die technische Revolution nicht nur Bedrohung, sondern auch Fortschritt für Medien sein kann.

F: Sie wirken, wie es einst Gerhard Weis für sich beansprucht hat: Wenn das alte Schlachtross die Trompete hört… Geht es dabei mehr um die Umsetzung von Erfahrung oder ist es neues Terrain?

A: Es ist großteils neues Terrain, weil es nicht gefestigt ist und sich großteils über Versuch und Irrtum erkundet – gerade in der Frage, was von den neuen Technologien denn überhaupt nutzbar ist. Denn es taucht ja dauernd Neues auf. Du arbeitest irgendwas – und plötzlich erfindet einer das iPad… Keiner hat damit gerechnet, wie viele Menschen auch dadurch dauernd online sein werden und sich dauernd Inhalte herunterladen: Das ist gerade für Radio und Fernsehen ein Problem. Mich fasziniert daran, herauszufinden, welche Technologien davon wirklich für den Journalismus verwertbar sind.

F: Wird denn der Journalismus unter dem Einfluss dieser Technologien noch bleiben, was wir bisher unter ihm verstanden haben?

A: Ich glaube, dass der Journalismus in seinen Grundideen – der Aufbereitung, der Orientierung, des Verständlichmachens von Ereignissen – in Zukunft sogar wichtiger wird, weil die Menschen jemanden brauchen, der ihnen Orientierung in der Informationsflut gibt. Doch er wird andere Werkzeuge brauchen, um von den Rezipienten weiterhin akzeptiert zu werden. Das ist meine Motivation: Ich möchte ein kleines Stück mithelfen, herauszufinden, wie viel von der neuen Technik auch inhaltlich ein Fortschritt sein kann.

F: Ist die neue Technik der Qualität der Inhalte langfristig eher dienlich oder lenkt es die Aufmerksamkeit zu sehr auf die Oberfläche?

A: Im Moment erscheint die Technik per se interessant. Doch sie bleibt natürlich nur ein Werkzeug. Als Radiojournalist weiß ich das: Es geht nicht darum, wie groß die Mikrofone sind, sondern wie intelligent ich meine Fragen stelle – und die Antworten sind, die ich von meinem Interviewpartner bekomme. Die neue Technik gibt mir die Möglichkeit, über neue Vertriebskanäle neues Publikum zu rekrutieren oder überhaupt neue Dinge zu tun; zum Beispiel in den neuen sozialen Netzwerken, durch die ich Publikum viel mehr einbinden kann.

F: Reicht unser bisheriges Selbstverständnis zur Bewältigung dieser Entwicklungen aus?

A: Wir brauchen ein Umdenken und müssen wegkommen von der Einstellung: Da gibt es eine neue Technik. Wow, wie toll! Journalisten, Journalismusforschung, Pioniere müssen vorerst immer überlegen: Wie kann ich das Neue sinnvoll in die bisherige Arbeit einbauen?

F: Wie lange wird es noch brauchen, bis wir über den Reiz des Neuen – erst Internet, dann Smartphone, nun Tablet – wieder zum Kern des Journalismus zurückkommen, also auf den Inhalt?

A: Das kommt darauf an, wie viel an neuer reizvoller Technik noch nachkommt. Nach iPhone, iPad ist es ja nun der mit dem Internet vernetzte Smart-Fernseher: Da werden ja immer neue Reizschwellen gesetzt. Vom normalen Fernseher zum hoch auflösenden Fernseher – und dann glaubt man, der Mensch braucht auch noch 3D-Fernsehen. Die Dosis muss offenbar ständig erhöht werden. Der technische Reiz wird also verloren gehen, wenn sich die Leute daran gewöhnen. Dann sagen sie nicht mehr: Okay, wir probieren aus, sondern: Was kann ich wirklich damit tun?

F: Und wenn da die Antwort unbefriedigend ist?

A: Ich habe kürzlich eine Statistik gelesen, dass sich immer mehr Menschen von Facebook abmelden, dass die Wachstumseuphorie vorbei ist. Wenn das stimmt – und ich kann mir das gut vorstellen, heißt das, diese Leute haben es ausprobiert und kommen nun zur Einsicht, dass es ihnen nichts bringt.

F: Bringt es denn was?

A: Ich würde mich nie aus Facebook abmelden, weil ich für mich persönlich einen Mehrwert darin sehe. Aber ich hatte gerade eine junge Dame in einer Schulung, die Facebook mit der Begründung wieder verlassen hat, dass sie dort nur blöde Kommentare gekriegt habe. Wenn das über die Zahl von Einzelfällen hinausgeht, endet der Reiz dieses Technischen – aber es kann natürlich umgehend etwas Neues nachkommen. Das kann man nicht abschätzen.

F: Rückblickend auf eine Karriere, die von der klassischen öffentlich-rechtlichen Monopolstellung bis zum vollen multimedialen Wettbewerb reicht: War der Journalismus früher besser – oder sein Ergebnis?

A: Ich glaube nicht, dass er besser war. Er ist anders geworden. Das hat nicht nur mit der neuen Technik zu tun. Von der finanziellen Entwicklung im Printbereich bis zu den Spar-programmen des ORF im öffentlich-rechtlichen Fernsehen: Die Medienwelt ändert sich ja auch in der Weise, dass die Ressourcen für Journalismus weniger werden. Ob der Journalismus dadurch zwangsläufig schlechter wird, kann man nicht sagen.

F: Aber bedingen weniger Geld und weniger Zeit für mehr Aufgaben und mehr Ausgaben nicht zwangsläufig einen Qualitätsverlust?

A: Ich habe mir über viele Jahre eine Haltung zur Qualität entwickelt, dass ich sage: Das ist nicht eine Hochsprunglatte, bei der alle in drei Versuchen 2,20 Meter überqueren müssen. Qualität im Journalismus ist etwas sehr Individuelles. Man kann sie an Kriterien festmachen, aber letztlich entscheidet jeder von uns, was Qualität ist. Deshalb wage ich die Frage nicht zu beantworten.

F: Auch nicht gefühlsmäßig?
A: Aus dem Bauch heraus würde ich sagen: Journalismus zu betreiben wird schwieriger, doch in der Arbeit, die wir machen, werden wir nicht schlechter. Aber das ist nur eine subjektive Vermutung.

F: Wer so lange in einem Landesstudio arbeitet wie Sie, hat sich ja auch ganz bewusst für den regionalen oder gar lokalen Journalismus entschieden. Gibt es für ihn heute spezielle Anforderungen und Reize?

A: Der Grund, warum ich mehr als 30 Jahre in Salzburg geblieben bin, liegt in meiner ursprünglichen Anforderung an den Journalismus: Nicht „Ich möchte etwas mit Medien zu tun haben”, sondern „Ich möchte etwas mit Menschen zu tun haben”. Der Lokaljournalismus ist wahrscheinlich jene Form, bei der ich am direktesten konfrontiert bin – mit Bürgern, mit Politikern, mit Ereignissen, die auch mein engstes Umfeld prägen. Das war für mich immer wichtig.

F: Gibt es in diesem Bereich neue Herausforderungen?

A: Da dürfen wir uns keine Illusionen machen. Die Sparprogramme, die der ORF fährt – oder wie die Geschäftsführung sagt: fahren muss -, zeigen natürlich ihre Wirkung. Wir werden weniger in der Redaktion, der Einzelne macht mehr. Die Tatsache, dass guter Journalismus Zeit braucht zum Recherchieren und Aufbereiten, dieses Argument wird ungern gehört von denen, die einsparen müssen. Es wird schwieriger. In meinen drei Jahrzehnten hat sich die Menge der Redakteure, die Geschichten machen, mit Sicherheit verändert.

F: Wenn Sie es – durchaus journalistisch – auf einen Aspekt zuspitzen und reduzieren müssten: Welches Credo würden Sie am liebsten an junge Kollegen weitergeben?

A: Die Schlagzeile… wie soll sie lauten? Hmmm. Schlagzeilen sind ja immer plakativ und sollen zum Weiterlesen einladen. Solche Einzeiler sind schwer – vor allem über sich selbst. Ich würde dennoch sagen: Wichtig ist für die jungen Kollegen zu erkennen, dass es die alten journalistischen Regeln noch gibt und dass sie auch in schwierigen Zeiten notwendig sind. Also: Recherche, Aufbereitung, Verständlichkeit, Orientierung geben. Gleichzeitig sollten sie aber die neuen Entwicklungen mitnehmen – dass zum Beispiel das Publikum mitarbeiten kann an den Medien, dass jeder zum Produzenten werden kann. Das müssen sie in geeignetem Maße bedenken: nicht mehr die Menschen belehren, sondern mit ihnen zusammenarbeiten. Das könnte auch den Ressourcenmangel ein wenig lindern. Aber ich weiß, dass war jetzt mehr als ein Satz…

F: Sollte also der Abschlussjahrgang einer Journalistenausbildung in Anlehnung einer „Bild”-Schlagzeile von sich sagen: „Wir sind Journalist”?

A: Ja. Doch zumindest der Papst aus der Original-Schlagzeile war noch genauer definiert als der Journalist. Irgendwann müssen wir hier wirklich zu differenzieren beginnen: Journalist ist nicht gleich Journalist. Denn natürlich ist der Redakteur einer Gratiszeitung etwas ganz anderes als einer, der sich dem sogenannten Qualitätsjournalismus verschreibt – schon weil sich im demokratiepolitischen wie gesellschaftlichen Sinne die Ziele der jeweiligen Produkte ganz klar unterscheiden. Wir sind Journalist? Ja. Aber mit der Fußnote, was die einzelnen Journalisten so tun.

Anmerkung: Abschließend bedanke ich mich beim Verlag Oberauer für die Genehmigung, das Interview hier veröffentlichen zu dürfen.

Ein Gedanke zu “Ein bisschen Selbstdarstellung

  1. Angesichts einer Herr Retteneggers Anmerkungen, bringe ich vor, dass es doch möglich über einen Qualitätsverlust in Journalismus zu sprechen ist. Zunächst aufgrund der Kosteneffektivität nimmt der Werbungsanteil in Zeitungen ab, die durch andere Medien, wie beispielsweise Google und Facebook, erreichen sind. Darüber hinaus wird die Nachfrage für gedruckte Zeitungen auch weniger, denn es gibt effektivere Quellen, um die neuesten Nachrichten zu erhalten, wie beispielsweise Twitter, Online Zeitungen und Blogs. Natürlich bedeutet dies ein geringes Gehalt für Journalisten, was wiederum zur Folge hat, dass weniger gut qualifizierte und somit kostengünstigere Journalisten eingestellt werden, welche gleichzeitig unter Druck stehen, das Inhaltsniveau hoch zu halten, um sich mit Onlinequellen messen zu können. Hinzuzufügen gilt außerdem, dass die Benutzung von Online Ressourcen wie Wikipedia, während des Schreibens journalistischer Texte, steigt. Hierbei kann man einen Investigationsmangel mit Subjekten, die als wichtig dargestellt sind, vermuten. Dies könnte insgesamt als journalistischer Qualitätsverlust interpretiert werden. Berücksichtigenswert ist zudem die Nutzung von Nachrichtenagenturen, wie beispielsweise Reuters. Dies könnte auch als ein Qualitätsmangel angesehen werden, denn es dauert nicht lang, um ein Zitat auszuschneiden und einzufügen.

    Hinsichtlich einer Frage des Interviewers an Herrn Rettenegger, schlage ich allerdings vor, dass aufgrund von mangelnder Ressourcen die Qualität nicht unbedigt verzichtet werden muss. Angesichts dessen, stimme ich zu, dass die Verwandlung von Journalismus und Medien, nicht unbedingt oder zwangsläufig zu einem Qualitätsverlust führt. Allgemein gilt es festzuhalten, dass journalistische Qualität komplexer ist als oben erwähnt, welche nur auf Zeitungsjournalismus eingeht. In Folge der Erschaffung des Internets, sind Millionen von Menschen als sogenannten BürgerjournalistInnen ermächtigt worden, welche die Breaking-News erheblich verbessert hat, insbesonderse durch Twitter. Bezogen auf alle bereits erwähnten Argumente, ist es durchaus möglich, innerhalb des Rahmens des Journalismus als Beruf, von Qualitätsverlust zu sprechen.

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