Und wieder „Mobile Reporting“.
Den Ansporn für diesen Blogeintrag hat mir einerseits ein Bericht in „Salzburg heute“ über die letzte Gemeinderatssitzung des Salzburger Langzeitbürgermeisters Heinz Schaden gegeben. Zum ersten Mal habe ich unter den vielen großen Fernsehkameras und Spiegelreflexkameras Smartphones als Aufzeichnungsgeräte für TV- und Video-Berichterstattung bewusst wahrgenommen. Zum anderen habe ich die informativen YouTube-Videos der weltgrößten Konferenz für Mobilreporter, der MojoCon im Mai 2017, angeschaut. Und schließlich habe ich vor wenigen Tagen die Lehrveranstaltung „Mobile Reporting“ am Fachbereich Kommunikationswissenschaften der Universität Salzburg begonnen. Grund genug für diese Momentaufnahme.
Der Pressefotograf als Smartphone-Reporter
Das Smartphone auf dem Gimbal im roten Kreis gehört Michael Vogl. Er ist seit vielen Jahren Pressefotograf in Salzburg. Seit Kurzem produziert er auch Videos für Fernsehanstalten. Mit dem Smartphone. Er nimmt die Videos auf, entfernt in einem Rohschnitt unwichtige Passagen und schickt des gedrehte Material gleich vom Smartphone via Internet zum Auftraggeber.
Im Interview nennt Michael Vogl als großen Vorteil der Smartphone-Videokamera, dass das Material schnell gesendet oder im Internet veröffentlicht werden kann. Negativ nennt er die Qualitätsabstriche, die er – im Vergleich zur Spiegelreflexkamera – hinnehmen muss.
Die Zukunftschancen für Smartphone-Videoberichterstattung schätzt Michael Vogl gar nicht so schlecht ein, wenn die handelnden Personen, also Reporter und Pressefotografen, sich auf das kleine Aufnahmegerät einlassen und es als ernsthaftes Werkzeug akzeptieren.
Friedliche Koexistenz
Bei der Frage nach den Zukunftsaussichten des Smartphones als Videokamera für TV-Berichterstattung ist der Landesdirektor des ORF Salzburg, Christoph Takacs, doch wesentlich zurückhaltender.
Für ihn sind Smartphones im Videoeinsatz vor allem ein Werkzeug für First Responder, also für Reporter, die als erste am Ort des Geschehens eintreffen, Videos drehen und in die Redaktion schicken, bis ein Kamerateam mit großem Gerät eingetroffen ist.
Im Interview merkt auch Christoph Takacs die geringere Bildqualität von Smartphone-Videos im Vergleich zu den „großen Kameras“ an und geht davon aus, dass lineares Fernsehen und Internetvideos mittelfristig Seite an Seite existieren werden.
Christoph Takacs verweist darauf, dass lineares Fernsehen immer noch das meist genutzte Medium ist. Von speziellen Formaten, die die Stärken der Smartphone-Videos nutzen, hält er im linearen Fernsehen deswegen nicht viel.
Ganz im Gegenteil zu Teilnehmern an der MojoCon 2017 in Irland. Bei einer Diskussionssendung, die ausschließlich mit Smartphones aufgenommen wurde und auf YouTube abrufbar ist, gingen zwei Mobilreporter aus Kanada und den Niederlanden davon aus, dass neue Formate entstehen werden, die die Stärken von Smartphone-Videos nutzen: Der Reporter hat eine kleine Kamera, braucht wenig Ausrüstung und kommt so nahe an die Protagonisten einer Geschichte heran. Diese Eigenschaften eignen sich ihrer Meinung nach gut für persönliche, kurze Geschichten.
CBC Calgary: Livesendung mit Smartphones
Bei der Fernsehdiskussion während der MojoCon wollten die beiden Journalisten Smartphone-Videos nicht auf breaking News reduziert wissen, wenn etwa ein Reporter vom Brandort berichtet.
Erin Collins von der staatlichen kanadischen Rundfunkanstalt CBC in Calgary berichtete von einem Projekt seines Studios, das mit Smartphones umgesetzt wurde: Bei einer Livesendung über die Lebensqualität der kanadischen Stadt wurde von vier Standorten gesendet, ergänzt um zugespielte, vorproduzierte Beiträge.
Erin Collins verschwieg bei der Diskussion aber auch nicht, dass bei CBC in Calgary die traditionellen Fernsehkameras aus wirtschaftlichen Gründen gegen Smartphones ausgetauscht wurden.
Was glaubt ihr?
Abschließend interessiert mich eure Meinung über die Zukunft der Smartphones für professionelle Fernseh- und Internetberichterstattung. Welche Rolle werden Smartphones als Produktionswerkzeug spielen?
Ich freue mich auf Kommentare.
Smartphone-Videos sind tatsächlich gut, keine Frage, vor allem draußen bei Tageslicht. In Innenräumen, und vor allem abends, nimmt die Bildqualität rapide ab. Das betrifft vor allem das Rauschen in den dunkleren Bildteilen, und die Kompressions-Artefakte bei Schwenks.
Bei den Schwenks kommen wir zur nächsten Schwierigkeit: Smartphones brauchen eine sehr ruhige Hand, oder besser ein Stativ, oder meinetwegen ein Gimbal, so wie jede Kamera. Über die Tonaufnahme hat schon Angermüller gepostet. Es fehlt natürlich auch die Möglichkeit, mit Tiefenschärfe zu arbeiten und so zum Beispiel bei Interviews die Person aus dem Hintergrund herauszulösen.
Und was passiert eigentlich, wenn genau während der Videoaufnahme ein Anruf hereinkommt 🙂
Es ist sicher ein Zeichen der Zeit, immer alles schneller ans Volk bringen zu müssen….. Ein großer Vorteil der Technik ist sicher, mit dem Smartphone LIVE senden zu können. Es entsteht eine OnePersonSendestation.
Zu den hier präsentierten Videos kommt mir folgender Gedanke. Wurden hier bewußt Kardinalfehler eingebaut, um zu testen, wie „unempfindlich“ Betrachter auf schlecht gemachte YouTube Videos reagieren. Bei Herrn Vogel wurde das Ansteckmikro nach unten ausgerichtet, was in einer unüberhörbaren Umgebungslärmkulisse resultiert. Herr Takacs steht im Schatten vor einem hell besonnten ORF Studio. Das sind halt alles Sachen, die sich bei Smartphones noch nicht wirklich in den Griff bekommen lassen.
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