Rettet den Lokaljournalismus

Oliver-JohnJohn Oliver, Gastgeber der wöchentlichen US-amerikanischen satirischen News-Show „Last Week Tonight“ im Abo-Sender HBO hat sich in der ersten Augustfolge dem Lokaljournalismus und dessen bedauernswerten Zustand in den USA gewidmet. „Die Medien sind eine Nahrungskette, die ohne Lokalzeitungen auseinander fallen würde“, brach John Oliver eine Lanze fürs Lokale.

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Lesetipp: das 3D-Manifest des Gabor Steingart

Von einer „wunderbaren Chance, Journalismus wieder großartig zu machen“ spricht Handelsblatt-Herausgeber Gabor Steingart. Als Wegweiser dorthin hat er bei der Garrick Utley Lecture im New Yorker University Club sein 3D- Manifest vorgetragen.

3D-Journalismus heißt demnach „digital“: Journalisten müssen weg von der Einwgkommunikation zu einer interaktiven Kommunikation. Sie müssen erzählen, zuhören und transparent arbeiten, weil das Publikum keine passive Masse mehr ist.

3D-Journalismus heißt „demokratisch“: Weil die Leser, Hörer, Zuseher und User keine passive Masse mehr sind, wollen sie sich aktiv an der öffentlichen Diskussion beteiligen. Journalisten müssen dafür unter anderem die Debattenräume schaffen.

3D-Journalismus heißt „deutlich“: Journalisten müssen wieder etwas zu sagen haben, Steingart fordert die Rückkehr zu Relevanz: „Unsere Aufgabe sollte es sein, Information und Orientierung zu bieten, nicht nur Entertainment.“

Ein lesenswerter Text, der meiner Meinung nach einen richtigen und notwendigen Weg aufzeigt. Seht Ihr das auch so? Mich würde eure Meinung dazu interessieren.

Zum 3D-Manifest des Gabor Steingart geht es hier.

 

Zeitung ist Zeitung, Journalismus ist Journalismus

Quelle: http://piqs.deIn der deutschen Zeitungsbranche herrscht seit 25. Juli Aufregung. Grund dafür ist die Entscheidung des Axel-Springer-Konzerns seine Regionalzeitungen, Frauen- und Programmzeitschriften an die Funke-Gruppe zu verkaufen. Diese Entscheidung sorgt für heftige Diskussionen. Und immer wieder wird dem Springerverlag der Vorwurf gemacht, dass er sich mit dem Verkauf vom Journalismus verabschiede. So auch auf Spiegel Online:

Der Springer-Verlag verkauft ein riesiges Paket von Zeitungen und Zeitschriften an die Konkurrenz und entkernt sich damit selbst. Europas größtes Zeitungshaus glaubt offenbar nicht mehr daran, dass man mit Journalismus in Zukunft noch Geld verdienen kann. Ein verlegerischer Offenbarungseid.

Wenn sich Springer von zahlreichen Printprodukten verabschiedet um „eine stringente Digitalisierungsstrategie“ zu verfolgen, dann wird das in Teilen der Branche mit einem Abschied vom Journalismus gleichgesetzt. Keine Tageszeitung = kein Journalismus, so liest sich für mich die Gleichung, die nach dem 920-Millionen-Euro-Deal in den Führungsetagen und Redaktionen deutscher Printunternehmen aufgestellt wird.

Diejenigen, die diese Gleichung am lautesten proklamieren, sind naturgemäß Zeitungsjournalisten. Wenn das Argument, im Digitalen, also im Internet ließe sich kein Geld verdienen, auf Spiegel Online zu lesen ist, dann entbehrt das zusätzlich nicht der Skurrillität. Denn Spiegel Online gewinnt im Gegensatz zum gedruckten Spiegel Leser und verdient Geld.

Abgesehen davon – die Gleichung „keine Tageszeitung = kein Journalismus“ ist jedenfalls falsch. Denn das Zeitungspapier ist nur das Medium, auf dem die journalistischen Beiträge zum Leser tranpsortiert werden. Kein Vertriebskanal jedoch ist entscheidend für die Qualität dessen, was transportiert wird. Eine logische Schlussfolgerung, die für viele so logisch gar nicht ist. Zum Beispiel für Valdo Lehari, den Vorsitzenden des Verbandes Südwestdeutscher Zeitungsverleger. Er verknüpft den Weiterbestand von Tageszeitungen in einem Interview gar damit, wie unsere Gesellschaft in Zukunft aussehen wird:

Ist das weiterhin eine informierte, aufgeklärte Gesellschaft – oder reicht ein Häppchen-Journalismus, der lediglich aus Überschriften besteht? Für eine aufgeklärte Gesellschaft liefern die Tageszeitungen die Grundversorgung […].

Der grundlegende Irrtum auch in der Journalismus-Debatte nach dem der Springer-Pulbikationen ist die Annahme, dass Qualitätsjournalismus nur auf gedruckten Papier präsentiert werden könne. Diese Meinung teile ich mit Cicero-Chefredakteur Christoph Schwennicke, der diese Fehleinschätzung in einer Analyse auf den Punkt bringt:

Dieser Ansatz ist falsch. Er setzt das Trägermedium, das Vehikel, gleich mit dem Produkt, das auf diesem Trägermedium zum Konsumenten transportiert wird. Und das ist ein Irrtum, dem ein strategischer Handlungsfehler zugrunde liegt, der vor Jahren begangen wurde.

Print und Digital sind zunächst einmal Transportwege, zwei Medien im ursprünglichen Wortsinne. Und die Transportmittel von Nachrichten haben sich seit Jahrhunderten ständig verändert. […]

Mit einem bestimmten Journalismus, Qualität oder Junk, hat das Transportmittel zunächst einmal gar nichts zu tun.

Darauf hinzuweisen ist nötig, weil die der Monopolanspruch von Tageszeitungen auf guten Journalismus, wie ihn manche in der Branche stellen, von der tatsächlichen Gefährdung für den Journalismus ablenkt: Die Grundlagen, um anspruchsvollen Journalismus zu betreiben, werden zunehmend weggespart – nicht nur in Zeitungsredaktionen, wie ich aus eigener Erfahrung weiß. Daher muss es in erster Linie um die Frage gehen, wie der Journalismus überleben kann und nicht die Vertriebskanäle, in denen seine Produkte zu den Lesern, Sehern, Hörern und Usern gebracht werden.

The Future of Journalism is …

In einem inspirierenden Video haben Studierende der Columbia Journalism School unterschiedlichste Meinungen eingeholt, wie die Zukunft des Journalismus aussehen kann:

  • One-Man/Woman-Show
  • Freiberufler
  • Kollaboration
  • Datenjournalismus
  • Globalisierung

Das Video reflektiert naturgemäß stark die Mediensituation in den Vereinigten Staaten.

Future of Journalism from videostorytelling on Vimeo.

Der fundamentale Medienwandel

Portrait Jeff JarvisDie Medienwelt verändert sich fundamental. Die Schlussfolgerungen, die  Medientheoretiker, Blogger und Universitätsprofessor Jeff Jarvis zieht, sind radikal und sie polarisieren.  Ende September hat er seine Ansichten von den Medientrends der Zukunft in einem Vortrag bei PICNIC, einer Kreativitäts- und Innovationsplattform für Spitzenmanager in Amsterdam, zusammengefasst. Jarvis‘ wichtigste Prognosen in Schlagzeilenform:

  • Portrait Jeff JarvisDie Medienwelt verändert sich fundamental. Die Schlussfolgerungen, die  Medientheoretiker, Blogger und Universitätsprofessor Jeff Jarvis zieht, sind radikal und sie polarisieren.  Ende September hat er seine Ansichten von den Medientrends der Zukunft in einem Vortrag bei PICNIC, einer Kreativitäts- und Innovationsplattform für Spitzenmanager in Amsterdam, zusammengefasst. Jarvis‘ wichtigste Prognosen in Schlagzeilenform:
    • Portrait Jeff JarvisDie Medienwelt verändert sich fundamental. Die Schlussfolgerungen, die  Medientheoretiker, Blogger und Universitätsprofessor Jeff Jarvis zieht, sind radikal und sie polarisieren.  Ende September hat er seine Ansichten von den Medientrends der Zukunft in einem Vortrag bei PICNIC, einer Kreativitäts- und Innovationsplattform für Spitzenmanager in Amsterdam, zusammengefasst. Jarvis‘ wichtigste Prognosen in Schlagzeilenform:

Information braucht Redaktion

Bekenntnisse eines geschäftsführenden Redakteurs: Richard Stengel, Managing Editor von TIME, nutzt das Erscheinen des Bildbandes „The Illustrated History of the World’s Most Influential Magazine“ über die 87-jährige Geschichte des Magazins für eine grundlegende Erläuterung der journalistischen Prinzipien von TIME. Aller Pathos abgezogen, der sich womöglich durch den Buchtitel eingeschlichen hat, trifft Stengel die Kernaufgaben des Journalismus, die nicht nur seiner Meinung nach in Zukunft bedeutender sein werden als in den vergangenen 87 Jahren:

„In a time of information overload, we understand that information needs editing, voices need moderating, data need curating.“

Dieses Verständnis von Journalismus wird entscheidend für den Unterschied zwischen der vom Rezipienten anerkannten journalistischen Arbeit und den engagierten Aktivitäten der vielen Laienpublizisten sein, die für das Web 2.0 so bedeutend sind; entscheidend für die Legitimation der professionellen journalistischen Tätigkeit in einer Zeit, in der die technischen Möglichkeiten des Internet die Unterschiede zwischen Produzenten und Konsumenten aufgehoben haben.

Journalisten vs. Konsumenten/Produzenten

Laienpublizisten dürfen fast alles ins Netz stellen – dem User obliegt die Entscheidung, was er davon als wahr, als falsch, als Gerücht, als persönliche Meinung oder überhaupt nur als Unsinn bewertet. Vom Journalisten erwartet der Rezipient hingegen verlässliche Berichterstattung, die den Kriterien Genauigkeit, Glaubwürdigkeit und Transparenz entsprechen.

Der Journalist nimmt dem Rezipienten Arbeit ab, indem er die Informationen aus der Flut, die ständig über uns hereinbricht, für ihn sortiert, sie aufbereitet und sie für den User von Bedeutung macht. Information braucht Redaktion. Das gibt den Journalisten Daseinsberechtigung, vor allem wenn sie dafür auch noch Geld kassieren wollen.

Das lange Warten auf den User

In einem anderen Punkt irrt der Managing Editor von TIME. Besser gesagt: Richard Stengel verfällt in Wunschdenken, wenn er die Deutungshoheit der Ereignisse auch noch im Zeitalter der Social Media für die Journalisten reklamiert:

„The book explores TIME’s original mission, much of which is just as relevant today. We still aim to be broad and deep. The proliferation of information sources has made it possible for people to focus on specific nodes of information. That’s fine. But TIME continues to believe that intelligent readers are interested in everything from politics to technology to art to religion.“

Es bleibt unwidersprochen, dass sich Rezipienten nach wie vor für viele unterschiedliche Dinge interessieren, wenn sie mit diesen konfrontiert werden. Zusätzlich nämlich zu den Interessen, für die sie aktiv ihre Communities und Nschrichtenkanäle wählen. Aber immer weniger, vor allem junge Rezipienten, sehen den Journalisten und die Medien, für die diese arbeiten, als Garanten für umfassende, breit gefächerte Information. Von Journalisten und Medienunetrnehmern wenig beachtet, oft auch geflissentlch ignoriert hat sich das Grundverständnis für Informationsvermittlung radikal geändert: „Wenn eine Nachricht so wochtig ist, dass ich sie wissen muss, wird sie mich erreichen.“

Die Nachricht findet ihren Weg zum User

Dieser Satz ist zum Motto des neuen Kommunikationsverhaltens geworden. Facebook und Twitter sind stellvertretend zwei Plattformen im sozialen Netzwerk, in dem sich Nachrichten mit großer Geschwindigkeit verbreiten (können). Journalisten müssen diese Wege nutzen und nicht, wie Stengler, darauf vertrauen, dass Rezipienten immer noch zu den Journallisten und ihren Medien kommen, wenn sie umfassend informiert sein wollen.

Die meisten klassischen Medienmacher ignorieren die neue Wirklichkeit. Einer, der sie akzeptiert und konsequent handelt, ist Alan Rusbridger, der Chefredakteur des Guardian, das nun ein WordPress-Plugin bereit gestellt hat. Damit können Blogger Guardian-Artikel in ihren Blog einbinden und die Artikel gleich kommentieren. Der Gaurdian forciert so die Verbreitung seiner Artikel im sozialen Netzwerk, anstatt die eigenen journalistischen Produkte hinter Firewalls zu verstecken und sie nur zahlungswilligen Kunden zugänglich zu machen.

Die Arroganz der Medienmacher

Journalisten und Medienunternehmer müssen endlich wegkommen von ihrer überheblichen Haltung, die TIME-Editor Stengel in der subjektiven Gewissheit der Wichtigkeit seines Mediums unmissverständlich formuliert:

„TIME’s iconic red border symbolizes a bold, even arrogant idea. Everything inside that red border is worth knowing, and whatever is outside of it, well, not so much.“

Fehleinschätzungen wie diese zeugen nicht nur von realitätsverkennender Überheblichkeit. Sie werden auch genährt vom trügerischen Ruhekissen, dass noch nie soviele Rezipienten TIME – das Magazin und seine Online-Angebote – genutzt haben wie heute. Diese Haltung verstellt einmal mehr den Blick auf die Notwendigkeit, dass die Medienunternehmen dringend funktionierende Geschäftsmodelle entwicklen müssen. Diese basieren, wenn sie Erfolg haben wollen, auf den geänderten Kommunikationsgewohnheiten vor allem der jungen Menschen, der „Konsumenten von morgen“. Das iPad als Hoffnung ist zu wenig, wenn Websites, die den wirtschaftlichen Niedergang in den USA dokumentieren und analysieren, nicht auch in Zukunft häufiger akutalisiert werden müssen als uns Journalisten lieb ist.